Gedichte im Islam
Der Sterndeuter

von
Friedrich Rückert

Was die Sterne dir bescheren,
Sollst du unterwürfig ehren;
Aber nie such’ einzubringen
Ins Geheimnis, das sie bringen.
Ist nicht eine Meuterei
Gegen Gott Sterndeuterei?
Übel immer ists ergangen,
Hat schon jeder nicht empfangen
Solchen Lohn für seine Kunst,
Wie der arme, der in Gunst
Beim blutdürft’gen Hedschadsch stand.
Dieser, als er nah empfand
Seinen Tod, ließ er beklommen
Seinen Hofsterndeuter kommen:
Hast du etwa nicht erblickt
In den Sternen, dass beschickt
Jetzt der Tod wird irgend eines
Großen Mannes? Zwar ich mein’ es
Nicht auf mich; doch sag mir an,
Wem es irgend gelten kann? –
Wichtig tut der Mann, und sagt,
Als er seine Kunst befragt:
Einem Fürsten an den leib
Geht es, der sich nennt Kuleid. –
Hedschadsch rief: Das bin ich, o!
Meine Mutter nannte so
In der Jugend mich. Woher
Ward dir kund der Name, der
Funfzig Jahr verschollen war? –
Meinem Blick ist alles klar,
(Sprach der aufgeblasne Thor)
Was für andre bigt ein Flor;
Das bezeugt die Welt einstimmig. –
Da rief Hedschadsch todesgrimmig:
Könnt’ ich jemals dich entbehren,
Mir die Sterne zu erklären?
Da du mir nun diese Bahn
Hast gedeutet, geh voran!
Auch im Himmel sicherlich
Wie auf Erden brauch ich dich. –
Auf der Stell gab er in Wut
Ihm den Tod; das letzte Blut
War dis, das Hedschadsch vergoss,
Eh sein eignes nicht mehr floss.

Aus: Sieben Bücher Morgenländischer Sagen und Geschichten

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