Gedichte im Islam
Der sterbende Sultan

von
Friedrich Rückert

Sultan Mohammed, Mahmud’s Sohn,
Der Seldschukide, der den Thron,
Den vielbestrittnen, nun allein
Mit voller Macht genommen ein,
Er hat mit allergrößter Pracht
Sich eben auf die Fahrt gemacht
Gen Hamadan, und will entgegen
Der Braut, die schon ist auf den Wegen,
Der Tochter des Chalifen ziehn;
Da überfällt ein Fieber ihn,
Der nahe Tod sagt ihm: Nicht weiter!
Er aber sammelt seine Schreiter,
Die Waffenarten aller Truppen,
Und seine bunten Höflingspuppen,
Und seiner Schätze reiche Gruppen,
Und ruft, indem er Heerschau hält
Ob seiner Macht: O Welt, o Welt!
All diese meine Fürstengröße,
Kann sie nicht decken eine Blöße,
Die ich des Pfeiles blindem Schuss
Alswie der ärmste bieten muss!
Kann mein verfallnes Pfand loskaufen
Hier keiner meiner Sklavenhaufen,
Und keiner meiner Dienerschaaren
Mir ein Gefühl des Wehs ersparen,
Zurufen meinen jungen Jahren
Dass sie umwenden auf der Flucht?
So ruf ich Weh der falschen Frucht
Der Welt, die mich zum Tod versucht,
Die jetzt mir nicht den Odem lässt
Zu sagen, wie mein Herz sie presst.
O neige dich vor ihr, mein Haupt!
Sie hat die deine Zier geraubt,
Ihr Hauch hat deinen Baum entlaubt,
Und bald ist auch dein Staub verstaubt.

Aus: Sieben Bücher Morgenländischer Sagen und Geschichten

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