Gedichte im Islam

Er gab sein Tändeln auf

von Ibn Hazm al-Andalusi aus dem Buch "Halsband der Taube", übersetzt von Max Weisweiler (1941)

Er gab sein Tändeln auf, sein Liebesglück;
Hält sich von Schmach bei Lieb' und Frau'n zurück.
Nach dem Genuss des Weins strebt er nicht mehr;
Gab auf sein Trachten nach der Jungfern Ehr.
Zu neuem Leben ist sein Herz gereift;
Die alten Hüllen es jetzt von sich streift.
Er ließ, was ihn - ich sahs - mit Lust erfüllt,
Aus Furcht, weil das Verborgne einst enthüllt.
O Seele, müh dich, lasse schnell die Spur
Der Leidenschaft denn sie verdrießt dich nur!
Streb eilends nach Erlösung! Emsig sei,
Dass du von ihren Nöten werdest frei!
Vielleicht find ich der Rettung Glück einmal,
Entrinne ihrem Feuer, ihrer Qual.
Die Zeit entführt, o Tändler, eilends dich.
Hast du nicht acht vor ihrer Leiden Stich?
Als Mahner lass genügen dir die Zeit
Mit dem, was sie dir Wunderbares beut!
Ein Obdach meide, dessen Glanz zerfällt!
Lass von Gewinn, der dich zum Narren hält!
Wer plänkelte an dieses Obdachs Statt,
Des Obdachs Schwert ihn stets getroffen hat.
Der Mensch, der wahre Gotteskenntnis hegt,
Zum Guten strebt und Furcht im Herzen trägt.
Ein zeitliches ist nicht ein ewges Reich,
Und wahre Scheu ist nicht der falschen gleich.
Der Fromme kann nicht wie der Schurke sein,
Und Wahrheit hat mit Lüge nichts gemein.
Ja, wärn wir sicher vor dem Strafgericht
Und fürchteten den Zorn des Höchsten nicht,
Noch seine Hölle, die für den gemacht,
Der sich belädt mit böser Rede Tracht,
Wir müssten dennoch hören auf sein Wort
Der Lust Gesandten weisen von uns fort,
Entsagen ehrlich unserm Bleiben hier,
Und wer's nicht will, den müssten tadeln wir.
Sah ich dem Menschen antun doch die Zeit
Das Gleiche wie der Flamme Glut dem Scheit.
Wie mancher, dessen Herz auf Freuden sann,
Fand seine Ruhe in Verhasstem dann!
Wie mancher müht um Erdenglück sich viel,
Doch schließlich setzt der Tod dem Mühn ein Ziel!
Voll Freude mancher seinen Wunsch erlangt,
Muss dulden dann, wovor ihm stets gebangt.
Wie mancher bitter um Erfüllung rang,
Doch führt' sein Streben nur zum Untergang!
Als großen König ich den Mann noch seh,
Und schon sinkt er von seiner Würden Höh.
Er gleicht dem Saatfeld, das der Fuß zertritt,
Wenn seine Halme herrlich stehn zum Schnitt.
Wie mancher sich in Leid und Not verzehrt
Ein Glück verfolgend, das sich eilends kehrt!
Scheint dies nicht eine gute Warnung dir,
Die jedem Weisen mehrt der Tugend Zier
Wie kann's sonst sein? Denn weicht der Schuft vom Pfad,
Die Höll' er schließlich zu erwarten hat.
Gott stellt ihn einst bei der Verrechnung bloß,
Entreißt den Argwohn dann des Dunkels Schoss.
Wenn einem Gott erweist Barmherzigkeit,
Dazu ihm seiner Gnaden Fülle leiht
Und er, der Tor nutzt sie für das, was Gott
In seinen heilgen Schriften uns verbot,
Ist er nicht morgen mehr als alle wert,
Dass Strafe und Vernichtung ihm beschert?
Dank sei dem Herrn, des güt'ge Allmacht mir
So nah ist wie des Halses Ader schier,
Der unsre Zeitgenossen nähret insgemein,
O Fremde sie, ob Araber sie sei'n!
Gott sei gelobt, dass er uns Güte schenkt,
Das seine Hand der Zeiten Wechsel lenkt!
Hat Erd' und Himmel dienstbar uns gemacht,
Im Ätherraum das Nass, der Sterne Pracht.
Drum höre! Lasse, wer ihm widersteht!
Denn einen, der nicht will, man nicht belädt.

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