.Bücher
zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen, besser bekannt
als Wilhelm II. war von 1888 bis 1918 letzter Deutscher Kaiser
und König von Preußen. In dieser Zeit reiste er drei Mal nach
Istanbul und baute eine freundschaftliche Beziehung zu
Abdülhamid II. auf.
Da sein Vater Friedrich III. 1888
nach nur 99 Tagen Amtszeit an Kehlkopfkrebs verstorben ist,
wurde Wilhelm bereits mit 29 Jahren Kaiser. Da er sein Amt
nicht in eine konstitutionelle Monarchie moderner Prägung
überführen wollte, musste er am am 9. November 1918 abdanken
und war damit letzter deutscher Kaiser. Seine letzten Jahre
verbrachte er in den Niederlanden und starb am 4. Juni 1941 in
Doorn.
In der Beziehung zur Welt des
Islam
dürfte er der historisch bedeutsamste Deutsche gewesen sein.
So erlebte die Botschaft des Deutschen Reiches in
Istanbul unter Wilhelm II. ihre Glanzzeit. Zwar wurde das
Gebäude der kaiserlichen Botschaft des Deutschen Reiches
bereits in der Regierungszeit von Wilhelm I. (1861-88) gebaut,
aber Wilhelm II. prägte das Gästehaus der Botschaft auch durch
seine Reisen.
Seinem ersten Besuch in
Istanbul trat
Wilhelm II. bereits im ersten Jahr nach seinem Regierungsantritt
(1889) an, was im Gegensatz zu den eher neutral ausgerichteten
Interessen von
Otto von Bismarck stand, der England, Frankreich und
Russland nicht misstrauisch machen wollte. Der kurzfristige
Reiseentschluss ließ Sultan
Abdülhamid II. kaum Gelegenheit, das zur Unterkunft von Wilhelm
II. und Kaiserin Augusta Victoria bestimmte Villa namens
Schale Köschkü (Şale Köşkü) im Yildiz-Park am
europäischen Ufer des Bosporus repräsentativ herzurichten.
Daher wurden unter anderem einige Holztüren aus dem
Tschiraghan-Palast (Çirağan-Palast) ausgebaut und in die
Gastresidenz eingebaut.
Beim zweiten Besuch des Kaiserpaares im Rahmen der
berühmten Orient-Reise Wilhelms II. im Jahre 1898 war die
Vorbereitungszeit größer, so dass das Gebäude um einen Trakt erweitert
werden konnte.
Wilhelm II. brachte als Gastgeschenk unter anderem die
Taschenuhr Wilhelms II. mit.
Zu dem im Rahmen des prunkvollen Besuchsprogramms ursprünglich
vorgesehenen Besuch
Abdülhamids II. in der kaiserlichen
Botschaft kam es jedoch nicht. Der bereits für ihn
angefertigte prachtvolle Thron, auf dem er im großen Festsaal
der Botschaft hatte Platz nehmen sollen, wurde nie verwendet.
Der Grund für das Ausbleiben von
Abdülhamids II. wurde nie geklärt, könnte aber mit den
Umständen und der Entwicklung der Reise zusammenhängen.
Eigentlich hätte der Zeitpunkt der Reise besser gewählt
sein können. Die Situation auf Kreta und die Beziehungen
Abdülhamids II. zu den vier Schutzmächten hatten sich
vergiftet. Die
Osmanen mussten von Kreta abziehen. Als große Demütigung
wurde zudem die Tatsache empfunden, dass
Abdülhamid II. Georg von Griechenland als Gouverneur zu
akzeptieren hatte. In dieser Lage schien Deutschland der
einzige Freund des Osmanischen Reiches zu sein. Wilhelm II.
hatte sich an dem Druck auf die Truppen der
Osmanen in Kreta nicht beteiligt und seine Schiffe
abgezogen. Seine Dankbarkeit drückte
Abdülhamid II. unter anderem in einem Gespräch mit
Hermann Vambery aus: "Es hat keinen Sinn, meine
Freundschaft mit dem deutschen Kaiser zu bekritteln, denn die
Deutschen nützen mir so sehr, wie ich es zulasse, während das
übrige Europa mir schadet wo es kann. Alle materiellen
Vorteile, die sie einheimsen, sind nur ein gerechtes Entgelt
für den Beitrag, den sie für die materielle Zukunft des
Osmanischen Reiches leisten." Doch war
Abdülhamid II. klar, dass Deutschland diese Freundschaft
nicht ohne Gegenleistung aufrecht erhalten würde. Das wurde
auch durch die Reisedelegation Wilhelm II. deutlich. Neben dem
Grafen von Bülow, als Staatssekretär des Auswärtigen, war auch
Georg von Siemens, dabei. Wilhelm II. wollte die Konzession
für die Bagdad-Bahn erhalten. 20 Jahre verfolgte
Abdülhamid II. eine Politik der Neutralität und versuchte
auch dieses Mal Zeit zu gewinnen. Mit der offizielle Eröffnung
des
Bahnhofs Haydarpascha versuchte
Abdülhamid II. seinen Gast zu beschwichtigen.
Niemals zuvor hatten
Osmanen einem Ausländer einen solch symbolträchtigen
Empfang bereitet. Auf einem Schimmel reitend zog der Kaiser
von jubelnden Massen begleitet in
Istanbul ein. Der Merasim Köşk wurde anlässlich des
Besuches umgebaut und für das Kaiserpaar wie 1889 zur
Verfügung gestellt, einschließlich einer großen Dienerschaft.
Am 27. Oktober 1898 konnte Wilhelm II. nicht mehr warten
und verließ
Istanbul mit Schiff in Richtung
Palästina, allerdings ohne Konzession.
Abdülhamid II. verabschiedete seinen Gast am Pier vom
Dolmabahtsche-Palast (Dolmabahçe Sarayı) ohne auf sich die
Differenzen anmerken zu lassen. Anlässlich dieser Reise hatte
Wilhelm II. den
Deutschen Brunnen gestiftet. Er sollte aber erst Jahre
später eröffnet werden.
Kurz darauf überreichte
Abdülhamids II. Erster Sekretär Süreyya Bey seinem Sultan
einen Bericht des
osmanischen Geheimdienstes, wonach die deutschen
Archäologen, die in Mosul mit Zustimmung
Abdülhamids II. gruben, in Wahrheit Geologen seien, die
nach Öl suchten. Fortan beobachtete
Abdülhamid II. Wilhelms II. Orientreise mit Argwohn. Es
kam zu internen Machtkämpfen unter
Abdülhamid II. Sekretären, wobei manche beschuldigt wurde,
für die deutschen zu spionieren.
Mit seinem Schiff reiste Wilhelm II. weiter nach
Palästina. In
Jerusalem wollte er eine neue lutherische Kirche
einweihen. Als er am 25. Oktober in Haifa an Land trat,
versammelten sich weltweite Journalisten an den Ufern und
drängten sich an das große Zelt, welches extra für die
Pressekonferenz aufgestellt wurde. 627 hohe Würdenträger des
Reiches und eine Ehrengarde von 600
osmanischen Soldaten begleiteten den Kaiser bei seiner
Reise in
Palästina. Organisiert wurde die Reise vom
Reiseunternehmen Thomas Cook. Neben Haifa und
Jerusalem besuchte der Kaiser auch Jaffa und
Beirut.
Bei seinem Einzug in
Jerusalem trug der Wilhelm II. zum Gedenken an die
Kreuzritter schimmernde Rüstung und einen weißen Umhang mit
Pilgerkappe. Als er den Stadtrand von
Jerusalem erreichte, stieg er vom Pferd und kniete mitten
auf der staubigen Straße nieder, um zu beten. Der Kaiser
empfing Abordnungen aller Bevölkerungsgruppen. Es folgte die
Einweihung der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem auf
dem Grundstück, das sein Vater, damals noch Prinz Friedrich
Wilhelm (der spätere Friedrich III.) 1869 vom Sultan zum
Zwecke der Errichtung einer evangelischen Kirche geschenkt
bekommen hatte. In Bethlehem sprach Wilhelm II. vor den
deutschen Siedlern, zumeist
Juden,
die von der Idee des Zionismus angetrieben waren: "...dass
Ihr verstanden habt, durch euer persönliches Leben Eueren
Nachbarn ein gutes Beispiel zu geben, und dass Ihr gezeigt
habt, wie man es machen muss, um in diesen Ländern den
deutschen Namen Achtung zu verschaffen. Ihr habt… Euch einen
guten Ruf erworben hier und auch im Auslande und habt gezeigt,
wie man es angreifen muss, öde Felder wieder fruchtbar zu
machen… Ich hoffe, dass, wie augenblicklich, so auch in
Zukunft die freundschaftlichen Beziehungen zum osmanischen
Reiche, und insbesondere die Freundschaft zu Seiner Majestät
dem Sultan und Mir, dazu dienen werden, Eure Aufgaben zu
erleichtern. Wenn irgendeiner von Euch Meines Schutzes bedarf,
so bin Ich da… und erfreulicher Weise ist das Deutsche Reich
ja imstande, seinen Angehörigen im Auslande nachhaltigen
Schutz zu gewähren." Ein Abschiedsgottesdienst für den
Kaiser fand am 3. November in der Erlöserkirche statt.
Von dort reiste Wilhelm II. nach
Damaskus. In Syrien setzte er sich die Kopfbedeckung eines
Beduinenscheichs aufs Haupt, und legte zur Überraschung seiner
eigenen Delegation einen
Trauerkranz für Saladin an das Grab
Sultan Saladins nieder. Eine Besonderheit stellen die zwei Sarkophage
am Grab von
Sultan Saladin dar, die auf seinem Grab liegen. Während das Holzgrab auf dem
Originalgrab liegt, ist das zweite aus Marmor ein Geschenk des Kaisers Wilhelm II..
In Damaskus beschwor er vor einer gewaltigen Menschenmenge die
Freundschaft zwischen
Harun al-Raschid und Karl dem Großen und erklärte:
"Möge der Sultan und mögen die 300 Millionen Mohammedaner,
die, auf der Erde zerstreut lebend, in ihm ihren Kalifen
verehren, dessen versichert sein, dass zu allen Zeiten der
deutsche Kaiser ihr Freund sein wird." Am 26. November
1898 kehrte er nach Berlin zurück
Ein Jahr danach erhielt er die erwünschte Konzession für
die Bagdad-Bahn.
Der dritte Besuch Wilhelms II. fand 1917
auf dem Höhepunkt des Ersten Weltkriegs und im Rahmen einer
Balkanreise statt, die der Rückenstärkung der südöstlichen
Bundesgenossen des Deutschen Reiches dienen sollte. Der Kaiser reiste
dabei mit der Bahn, denn der Seeweg wurde bereits von der
britischen Flotte beherrscht.
Mehr als dreißig Jahre später, im niederländischen Exil,
würzte Wilhelm II. die deutsche Ausgabe von Harold Nicolsons
"Lord Carnock" mit Randbemerkungen, in denen er die Politik
Abdülhamids II. rechtfertigte und zu erklären versuchte,
weshalb er gegen die Armenier vorgegangen war, als sie die
Ottomanische Bank überfallen hatten. Er erinnerte sich an neue
Bomben – "die ich im Museum selbst gesehen - und an
nagelneue, blanke Britische Pfunde in Gold, die man bei den
von der Istanbuler Polizei auf der Straße gegriffenen
Armeniern gefunden hätte, und er legte in einer sorgfältigen
Beweisführung dar, die Armenier hätten vom Armenischen Comitee
in London den Befehl erhalten, einen Aufstand zu inscenieren,
damit die Brit. Regierung die Möglichkeit habe, ihn als
Vorwand zum militärischen Einschreiten... zu benutzen. [...]
Aber die Redcoats blieben aus, und die auf sie harrenden
Armenier wurden erschlagen. So verrieth England die auf seine
Anregung hin aufgestandenen Armenier."
Ein Kaiserbild, gemalt in Öl von Max Frisch, datiert 1916
war eigentlich
als Geschenk Wilhelms II. an Sultan
Mehmed V. gedacht gewesen. Nach
langem Bahntransport über den Balkan kam es jedoch aufgrund
des Ersten Weltkrieges erst 1918 in
Istanbul an. So konnte es noch immer im Generalkonsulat,
wo es einen der drei kleineren Festsäle schmückt. Der
Kaiser Wilhelm II. Teppich erreichte nie sein Ziel.
Einige bemerkenswerte Aussagen Wilhelms II. zeugen von
seiner aufrichtigen Beziehung zur
islamischen Welt. So sprach er im September 1908 mit Bezug
auf englische, französische und russische Politiker: „Sie
alle haben in ihrer hirnverbrannten Dummheit, Verbohrtheit,
und unerhörten Selbstüberhebung […] den Islam verachtet,
misshandelt, beleidigt und auf ihm Jahrelang herumgetrampelt,
bis er es endlich nicht mehr ausgehalten hat, und sich ermannt
und sich zusammengeschlossen hat! Jetzt noch einmal ein
Eingriff von Außen durch "Reformvorschläge" pp. […] dann muss,
ob er will oder nicht, der Sultan des Propheten grüne Fahne
entrollen, dann wird es "Allah" in allen Ecken Asiens und
Afrikas ertönen, und mit den Christen ist es dann zu Ende.“
In einer Schlussbemerkung unter ein von Bülow gerichtetes
Schreiben Marschalls schrieb Wilhelm II. bereits am 3.9.1908:
"... Ich habe jahrelang davor gewarnt, den Islamismus so
mit Füßen zu treten und herauszufordern, und bin in ganz
Europa verlacht und als Türkenbold verhöhnt worden..."