Südafrika
Südafrika

Aussprache:
arabisch:
جنوب أفريقيا
persisch:
جنوب آفریقا
englisch: South Africa

.Bücher zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.

Südafrika ist ein Staat an der Südspitze Afrikas. Das Land mit der Hauptstadt Pretoria hat die Nachbarländer Namibia, Botsuana und Simbabwe, östlich davon Mosambik und Swasiland. Das Königreich Lesotho ist eine Enklave und wird vollständig von Südafrika umschlossen. Die Einwohnerzahl ist aufgelistet unter Islamische Weltgemeinschaft [ummah].

Südafrika hat die größte europäisch-stämmige Bevölkerung und die größte Einwohnerzahl indischer Herkunft in Afrika und ist ein multikulturelles Land.

Die muslimischen Gemeinschaften machen gerade einmal zwei Prozent der Gesamtbevölkerung aus und dennoch haben sie, insbesondere während der Demokratisierungsphase eine bedeutende gesellschaftspolitische Rolle übernommen. Die muslimischen Gemeinden in Südafrika haben unterschiedliche ethnische, sprachliche und religiöse Wurzeln. Die Mehrheit der Muslime lebt in den Provinzen Westkap, Kwa-Zulu /Natal und Gauteng, mit einem hohen Anteil Schafiiten und Hanefiten.

Die Ankunft der ersten Muslime in Südafrika ging einher mit der holländischen Kolonialisierung der Region. Sechs Jahre nachdem die Holländer mit der Einrichtung einer Handelsstation für ihren Seeweg nach Indien begonnen hatten, traf 1658 die erste Gruppe Muslime aus Malaysia  ein. Die "Mardyckers", wie die Muslime genannt wurden, waren Angestellte der holländischen Kolonialbeamten und wurden als Soldaten zum Schutz der Kolonie eingesetzt. Diesen "freien Muslimen" folgten Sklaven, die aus Indien, Malaysia, Indonesien und Madagaskar sowie Mauritius nach Südafrika gebracht wurden. Neben den Sklaven gab es eine Gruppe von politischen Exilanten, die aus den holländisch besetzten Gebieten Asiens nach Südafrika deportiert wurden. Die Exilanten, zumeist religiöse Führer mit politischem Einfluss, hatten sich in ihren Heimatländern an Rebellionen gegen die holländische Kolonisation beteiligt und wurden aus diesem Grund von den Holländern gefangen gehalten und unfreiwillig nach Südafrika gebracht.

Über das frühe religiöse Leben der Muslime ist wenig bekannt, da die öffentliche Ausübung ihrer Religion verboten war und unter Todesstrafe gestellt wurde. Nur einige religiöse Führer vermochten es, im Privaten ihre Religion auszuüben und eine Anhängerschaft aufzubauen. Einer der ersten religiösen Führer am Kap heißt Scheich Yusuf, der 1694 zusammen mit seiner Familie und seinen Anhängern nach Südafrika deportiert wurde. Scheich Yusuf war Mitglied der königlichen Familie in Bantam, die gegen die holländische Besetzung Widerstand geleistet hatte. Aufgrund seiner Herkunft und seines islamischen Wissens hatte er unter den Muslimen eine einflussreiche Position und erreichte es, dass eine große Zahl nicht-muslimischer Sklaven zum Islam konvertierte. Religiöse Führer übernahmen für die zum Islam übergetretenen Sklaven soziale Funktionen wie Eheschließungen und Beerdigungen, die den Muslim von Seiten der Kolonialverwaltung vorenthalten wurden.

Rund hundert Jahre später wurde Tuan Guru, ein weiterer religiöser Gelehrter, nach Südafrika deportiert. Er kam 1780 in Südafrika an und wurde für 13 Jahre auf die Gefangeneninsel Robben Island verbannt. Hier verfasste er verschiedene religiöse Abhandlungen. Tuan Guru stand in der Tradition der Aschariyya. Nach seiner Freilassung setzte er sich für die Einrichtung muslimischer Institutionen, insbesondere von islamischen Schulen ein. Der Bau von Moscheen wurde erst durch einen Erlass zur freien Religionsausübung 1798 möglich. Durch diese Verordnung wurde die erste Moschee in Kapstadt errichtet und Tuan Guru zum Imam ernannt. Im Zuge der Machtübernahme der Kapkolonie durch die Engländer Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Einrichtung muslimischer Institutionen erleichtert. Darüber hinaus erleichterte die Abschaffung der Sklaverei 1834 die Konversion zum Islam und die Religionsfreiheit für die muslimischen Gemeinden.

Die Verbesserung der sozio-politischen Stellung der Muslime führte Mitte des 19. Jahrhunderts allmählich zur Institutionalisierung des Islam in Südafrika und zur Einrichtung verschiedener Moscheen in der Region. Eine Streitigkeit unter den Geistlichen, führte dazu, dass die englische Kolonialverwaltung das Osmanische Reich um Hilfe bat. Dieses entsandte ihren Gelehrten Abu Bakr Effendi, der 1863 in Südafrika ankam. Die Ankunft Effendis selbst führte jedoch zu Konflikten, da er der hanefitischen Rechtsschule angehörte, während der Konflikt unter den einheimischen Schafiiten bestand. Mit einigen Finanzmitteln gelang es Effendi Einfluss auf das Bildungssystem zu nehmen. Er richtete die erste muslimische Schule ein und bot somit den muslimischen und nicht-muslimischen Kindern, die sonst vom Bildungssystem ausgeschlossen wurden, die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. 1881 wurde die erste  Moschee errichtet, die hanafitisch orientiert war. Im späten 19. Jahrhundert entstanden eine Vielzahl muslimischer Gemeinden.

Gegenüber der Kolonialpolitik verhielten sich die Muslime weitgehend passiv, sofern sie ihre Religion frei ausüben konnten. Zu offenen Auseinandersetzungen kam es erstmals 1886, als die Kolonialverwaltung aus hygienischen Gründen den muslimischen Friedhof in der Stadt nach außerhalb verlegen wollte. Die muslimische Gemeinde protestierte. Unter Missachtung der Gesetze beerdigten sie ihre Toten weiterhin auf dem Friedhof, was zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Gemeinschaft und den Polizeikräften führte. Dieses Ereignis markierte einen Wendepunkt in den Beziehungen der Muslime zum Staat. Im 20. Jahrhundert wurde deutlich, dass die Opposition zur Regierung immer häufiger als religiöse Pflicht legitimiert wurde.

Die zweite Gruppe von Muslimen, die nach Südafrika einwanderte, waren indische Vertragsarbeiter. Ab 1860 benötigte die britische Kolonie Natal für ihre Zuckerrohrplantagen billige Arbeitskräfte. Für eine Vertragszeit von fünf Jahren kamen Inder, meistens aus ärmeren Schichten, nach Südafrika. Viele von ihnen verlängerten ihre Arbeitsverträge und blieben schließlich permanent im Land. Rund 20 Prozent der indischen Vertragsarbeiter waren Muslime. Mit den Vertragsarbeitern kamen auch indische Händler nach Südafrika, die sich erst in Natal und dann im Burenstaat Transvaal niederließen, um dort Geschäfte zu eröffnen. Die überwiegende Mehrheit der Händler waren Muslime. Die Händler stellten religiöse Gelehrte aus Indien an, um die Führung religiöser Institutionen zu übernehmen.

Aufgrund der Verbesserung ihres sozio-ökonomischen Status Anfang des 20. Jahrhunderts entstand eine muslimische Elite in den Städten, die als Rechtsanwälte oder Ärzte einflussreichen Berufen nachgingen und begannen, sich politisch zu organisieren. In diesem Kontext entstanden Organisationen wie die African People`s Organisation oder die Cape Malay Association, die sich für mehr Gerechtigkeit innerhalb des politischen Systems einsetzten, dieses aber nicht grundsätzlich in Frage stellten. Als Coloureds und Inder verfügten die Muslime, vor allem in der Kapprovinz, über politische Partizipationsmöglichkeiten und waren, wenn auch nur in geringer Zahl, im Stadtrat und Provinzrat vertreten. Die indischen Gemeinschaften in Natal und Transvaal vermochten es allein aufgrund ihrer ökonomischen Basis, politischen Einfluss auszuüben. Die Situation der Muslime unterschied sich somit von der der schwarzen Bevölkerungsmehrheit, die weitgehend vom politischen Leben ausgeschlossen war.

Auf der religiösen Ebene wurden Versuche unternommen, die verschiedenen islamischen Rechtsschulen zu vereinen und regionale Gelehrten-Zusammenschlüsse einzurichten. 1935 wurde von den indischen Muslimen die "Gemeinschaft der Gelehrten" [dschamiat.ul-ulama] von Transvaal gründet, 1945 der Muslim Judical Council (MJC) für die Kapprovinz, gefolgt von der Dschamiat-ul-Ulama Natal und der "Versammlung der Gelehrten" [madschlis-ul-ulama] in Port Elisabeth in den 50er Jahren. Ziel der Gelerhten-Vereinigungen war es, in religiösen Fragen und der islamischen Rechtsprechung einheitliche Entscheidungen treffen zu können, ohne eine bestimmte religiöse Richtung zu favorisieren.

Die Einführung der Apartheid 1948 mit ihren restriktiven Gesetzen führte zu einer Spaltung innerhalb der muslimischen Gemeinschaften: Auf der einen Seite entstanden in den 50er und 60er Jahren muslimische Organisationen, die sich offen gegen die Apartheid-Politik aussprachen und auf der anderen Seite propagierten Hofgeistliche eine strikte Trennung zwischen Politik und Religion und forderten Muslime auf, sich nicht politisch zu betätigen. In diesen Kontext kam dann u.a. auch Ghandi nach Südafrika.

Muslime wurden durch die Einführung der Apartheid genauso wie andere, nicht-weiße Bevölkerungsgruppen Opfer von der Zwangsumsiedlungspolitik, die ganze Gemeinschaften zerstörte. Der Widerstand der Muslime, ihre Viertel und Moscheen zu verlassen führte zu einer politischen Mobilisierung, wie es sie zuvor nicht gegeben hatte. Als 1969 der populäre Imam Abdullah Haron, der Kampagnen gegen die gewaltsamen Umsiedlungen initiiert hatte, in Polizeigewahrsam an den Folgen von Folter starb, hatten Südafrikas Muslime ihren ersten politischen Märtyrer. Die Hofgeistlichen schwiegen zu diesem Vorfall.

Die Spaltung zwischen traditionellen und progressiven Gruppen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft führte 1970 zur Gründung der nationalen Muslim Youth Movement (MYM), die mit der Zeit aufgrund ihres Mitgliederzuwachses und ihrer Aktivitäten zur einflussreichsten muslimischen Organisation wurde. Ursprünglich wurde die MYM mit dem Ziel gegründet, einen "Islamic way of Life", eine islamische Gesellschaftsordnung zu entwickeln, um eine muslimische Identität der Gemeinschaft in der Diaspora zu wahren. Erstmals wurde mit der MYM auch eine Organisation gegründet, die den Anspruch hatte, Muslime unterschiedlicher ethnischer und religiöser Herkunft zu vereinen. Ab Mitte der 70er Jahre hatte die Organisation Zulauf von einer neuen Gruppe: schwarze Jugendliche, die der Black Consciousness–Bewegung nahe standen und zum Islam übertraten. Vorbild dieser politischen Aktivisten war ursprünglich Malcolm X.

Anfang der 80er Jahre, als sich das Apartheidsystem zunehmend in einer ökonomisch-politischen Krise befand und der Widerstand gegen das Regime stärker wurde, spaltete sich der Call of Islam von der MYM ab und schloss sich der United Democratic Front an, einem Dachverband verschiedener Anti-Apartheid-Organisationen. Die Mitglieder des Call of Islam verstanden sich in erster Linie als Teil der unterdrückten schwarzen Bevölkerungsmehrheit.

In den 80er Jahren entstand ferner die islamische Organisation Qibla. Angeregt durch die Errungenschaften der islamischen Revolution im Iran rief diese schiitische Gruppe zum opferbereiten Widerstand gegen die Apartheid auf und verübte Überfälle auf Institutionen des Regimes. Ideologisch stand Qibla dem Pan Africanist Congress nahe, der eine Kompromissbereitschaft gegenüber dem Regime ablehnte.

Die Öffnung des politischen Systems Anfang der 90er Jahre stellte muslimische Gruppen und Organisationen vor die Frage, inwieweit und in welcher Form sie sich am Verhandlungsprozess beteiligen wollen.  1990 fand eine National Muslim Conference statt, deren 600 Teilnehmer über die Rolle der Muslime im Verhandlungsprozess und die Wahrung ihrer Rechte als religiöse Minderheit in einem demokratischen Staat diskutierten.

Im Vorfeld der ersten freien Wahlen 1994 gründeten sich zwei muslimische Parteien: die Islamic Party wurde 1990 in Kapstadt ins Leben gerufen und kurz vor den Wahlen stellte sich die African Muslim Party auf, die von muslimischen Geschäftsleuten in Johannesburg gegründet worden war. Beide Parteien verfolgten ein eher konservatives Wahlprogramm. Mit der Propagierung einer freien Marktwirtschaft, der Aufrechterhaltung moralischer Standards und der Abschaffung des Rechts auf Abtreibung verfolgten sie ähnliche Ziele wie christlich-konservative Parteien. Die Muslim Youth Movement und der Call of Islam riefen ihre muslimischen Anhänger auf, für den ANC oder andere Befreiungsorganisationen zu stimmen. Die muslimischen Parteien konnten bei den Wahlen mit geringer Stimmzahl keinen Platz im Parlament erreichen. 23 der 400 Parlamentsmitglieder - einschließlich drei Minister – waren muslimischer Herkunft.

(Mit Bezug auf den Artikel "Muslime in Südafrika – eine Minderheit zwischen Anpassung und Widerstand", Forschungsprojekt der Universität Hamburg über muslimische Organisationen in Südafrika von I. Niehaus, Al-Fadschr Nr.105 August/September 2001)

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